Warum ich bekennender Christ bin.

 

„Vater unser im Himmel…“ – jeder sollte wissen, wie es von hier aus weitergeht. Es ist wohl das wichtigste Gebet im Christentum und dennoch spreche ich es nur sehr selten. Ich kenne Menschen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen, ich kenne Menschen, die jeden Abend beten. Und obwohl ich das alles weglasse oder zumindest stark vernachlässige, bin ich vermutlich mehr Christ als viele von ihnen.

Da kommt natürlich automatisch die Frage auf, was denn dann wohl einen Christen ausmachen soll, wenn er nicht regelmäßig zu Gott spricht oder in die Kirche geht. Dabei ist es doch eigentlich ganz einfach. Wir Christen glauben an das, was in der Bibel steht, an das alte und neue Testament (AT und NT). Okay, in der Bibel steht auch, dass wir einen Gott haben und zu ihm beten können in einer Kirche usw. – muss aber nicht sein, um ein Christ zu sein, wie viele immer wieder beweisen. Denn es gibt im Christentum noch viel wichtiger Dinge als zur Kirche zu gehen, so denke ich. Wir orientieren uns hauptsächlich an Jesus CHRISTus (oder sollten es zumindest), und dieser hat weit bedeutendere Dinge gesagt als „Betet und geht in die Kirche!“. Ich finde das Gebot der Nächstenliebe am wichtigsten. Die Geschichte von Jesus und seinen Jüngern in der Bibel zeigt im Endeffekt uns vor allem eines:

Wie müssen wir miteinander umgehen, um in einer besseren Welt zu leben?

Wer so lebt und arbeitet, um anderen zu helfen oder zumindest einem spontan hilft, der gerade in der Not ist, ist mehr Christ als einer, der zehn Jahre lang [treudoof] in die Kirche rennt und am Ende doch nichts gegen das Unheil unternimmt. Eine Religion wie das Christentum (wenn nicht alle) fordert mehr als beten – sie fordert das Handeln in ihrem Namen. Das das natürlich auch gefährlich sein kann, sehen wir an dem ISIS, durch welchen immer wieder Menschen davon überzeugt werden, dass sie im Namen das Islams töten würden, was genau genommen ziemlich [bescheuert] ist – denn der Islam ist an sich auch eine friedliche Religion, er wird hier nur schändlicher Weise instrumentalisiert.

Auf dieser Basis könnte man nun auch sagen, dass jeder christlich handelt, wenn er was für andere tut, wenn er sich für etwas _gutes_ einsetzt. Es ist natürlich gewagt, zu einem überzeugten Moslem zu sagen „Du verhältst dich ziemlich christlich.“, es ist aber logisch gesehen nicht weiter dramatisch – denn er tut was Gutes und mehr möchte ich damit auch gar nicht aussagen. Vielleicht könnte man sogar in Erwägung ziehen, „christliches Handeln“ durch „soziales Handeln“ zu ersetzen. Damit wären wir auch bei einer meiner größten Fragen, die ich mir immer wieder stelle: Die CDU nennt sich „Christliche deutsche Union“, die SPD „Soziale Partei Deutschland“ – müssten Beide sich nicht eigentlich zu einer Partei zusammenschließen, da das Christ-sein an das Sozial-sein gekoppelt ist? Aber wer sollte es besser wissen als das Volk: Die Politik ist ja sowieso seit jeher im Lügen gut.

Durch mein Moslem-als-Christ-Beispiel wird noch was etwas sichtbar: Das Christentum ist nicht verpflichtend, um gutes zu tun. An sich sollte man ihn abschaffen!, denn es ist kein Christ nötig um gutes zu tun. Wenn wir es schaffen, die Menschen besser zu machen, verliert das Christentum an Relevanz, denn dieses ist dazu momentan mitunter da! Dutzende Leistungen und Dienste, die unsere Welt ein kleines Stück besser machen sind so beispielsweise von der evangelischen Kirche gestellt. Dazu gehören, nur um ein paar zu nennen, die Diakonie, die Seelsorge (auch die telefonische), die Vesperkirche oder Brot für die Welt, welches seit Jahren Millionen von Menschen in armen Ländern vor dem Verhungern oder sterben durch Krankheiten rettet! Wenn wir solche Sachen auch ohne eine Kirche im Nacken zu haben schaffen, können wir das christliche verschwinden lassen.

 

Natürlich, Christ sein ist ein bisschen mehr. Der Glaube an Jesus, Gott oder ein Leben nach dem Tod darf auch nicht vergessen werden. Habe ich auch nicht vor, ich glaube schließlich selbst an einen Gott. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob er so ist, wie er in der Bibel beschrieben wird, finde es aber schön, an etwas höheres zu glauben. Das kann in einer Welt, in der man den Menschen gerne für die „höchste aller Rassen“ hält, einen gewissen halt geben, wenn man eben doch mal nicht alles versteht. Man kann sich dann darauf vertrösten, dass man es vielleicht auch einfach nicht verstehen kann, weil es nun mal etwas Höheres gibt – natürlich sollte sich der Drang zu forschen davon nicht komplett aufhalten lassen!

Zu Jesus ist an dieser Stelle zu sagen, dass es (meines Wissens nach) nachgewiesen ist, dass es Jesus gab. Ob er natürlich auch Sohn Gottes ist, wissen wir nicht und ob wir es jemals wissen werden steht in den Sternen geschrieben. Fakt ist für mich jedenfalls, dass der Glaube an einen gütigen Gott, so wie das Christentum ihn zeigt, sogar helfen kann, wenn man einmal nicht mehr weiterweiß oder scheiße gebaut hat. Weder Glaube noch Beten kann zwar die gebaute Scheiße verschwinden lassen, es kann aber dabei helfen, mit dem Resultat besser zurecht zu kommen. Und viel mehr erwarte ich auch nicht vom Glauben.

 

(Was ich vergessen habe zu sagen: Vergeben ist auch noch wichtig. Nur wer vergeben kann, kann auch ein wirklich guter Mensch sein.)

 

Es ist ein wahrlich kritisches Thema, über Religion so zu schreiben oder öffentlich zu denken. Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass ich in keiner weise mit diesem Text Gotteslästerung ausüben oder eine andere Religion in irgendeiner Art und Weise abwerten möchte. Ich verabscheue nur eine einzige Auslegung von Religion, und das ist die des ISIS. Denn durch sie sterben Menschen. Wer so etwas duldet oder gar akzeptiert ist nicht viel besser als jene, die meinen töten zu müssen.

 

 

~ Felix M. Espert, 25.06.2019