Wie viel Bildung muss sein?
Wie viel
- Frage nach einer Menge... → ...die eine konkrete Antwort nach sich zieht.
Bildung
- Was ist Bildung?; Allgemeinwissen; Erziehung; Schule; Meinungsbildung; Entstehungen → Gefüge von mehreren Bereichen.
muss sein
- Aufforderung; verpflichtend → es wird suggeriert, dass jeder Mensch ein gewisses Maß an Bildung erfährt.
[Fragezeichen]
- Erfordert eine Antwort; man wird zur selbstständigen Auseinandersetzung gezwungen.
=> Die Fragestellung hat mehrere Ebenen, es lässt sich keine eindeutige Antwort geben.
Essay: Wie viel Bildung muss sein?
Nachdem die Twitternutzerin „Niana“ Anfang 2015 auf Twitter den Tweet „Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. - Aber ich kann ‘ne Gesichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ postete, löste sie eine große Argumentationswelle aus: Wie viel Bildung braucht der Mensch? Welche Art von Bildung braucht man?
Es sind alles Fragen, die sich wohl vor allem Schüler wie ich sich stellen, wenn sie mal wieder in ihrem Klassenzimmer sitzen und lernen, wie man das Integral von einer Y-beliebten X-Funktion bildet.
Bevor wir aber sagen können, wie viel Bildung wir brauchen, welche Bereiche sie abbilden sollten und noch mehr, müssen wir erstmal klären, was eigentlich Bildung ist.
Wie gesagt, für Schüler ist Bildung in der Regel nicht viel mehr als die schulische Bildung – im ersten Moment. Bildung selbst ist an sich die Entstehung von etwas. Wenn wir uns wissenstechnisch bilden, lernen wir was dazu, es „entsteht“ neues Wissen in unseren Köpfen. Es gibt Bildung auf den unterschiedlichsten Ebenen, so wie die Bildung einer eigenen Meinung, fachspezifische Weiterbildung (z.B. im Beruf) oder auch die erziehungstechnische Bildung. Damit kommt auch die Frage auf, wovon wir wie viel Bildung brauchen. Was ist wichtiger? Schulische Bildung? Bildung, darüber, wie man später mal ein Haus wirtschaftet? Oder gar die allgemeine Allgemeinbildung?
Es ist schnell zu erkennen, dass es sich mit dieser Frage um keine einfache handeln kann.
Aus der Sicht eines Schülers ist die Verteilung der Bildungsschwerpunkte nicht optimal, immer wieder hört man, es würde am „Allgemeinwissen“ uns angehenden Erwachsenen, scheinbar Selbstständigen fehlen. Und was ist Allgemeinbildung?
Allgemeinbildung ist in der Regel, wenn es von Schülern als „fehlend“ oder „mangelhaft“ erklärt wird, als alles bezeichnet, was der Mensch zum überleben in der großen Welt braucht – aber man, so die Schüler, nicht bekommt vom eigenen Schulsystem.
Um herauszufinden, wo es uns an „Allgemeinbildung“ mangelt, sollten wir uns erstmal ansehen, was wir schon haben und was wir brauchen. Vielleicht lässt sich das sogar in unser Schulsystem einbauen, wir könnten ja auch darüber nachdenken, was wir nicht brauchen.
Bei der Frage danach, was wir „nicht“ brauchen an Schulbildung sollten alle Hände hoch gehen. Die Hauptschuldigen werden hier wohl Mathematik und Deutsch sein. Zu viele Schüler, und das sehen ich an meiner eigenen Schule, fragen sich jede Woche mehrmals – witzigerweise immer kurz vor dem Unterricht in dem besagten Fach, „Warum?“.
Der Tatsache, dass diese Fächer an sich wichtig sind, wird jeder Schüler zustimmen. Es kommt jedoch auf die Themen an, die im Unterricht behandelt werden: Viele Schüler sind der Ansicht, dass es ausreicht, wenn ihnen die Grundbedürfnisse an Bildung vermittelt werden. In Deutsch wäre das die Rechtschreibung, ein wenig Formulierung und Satzbau, wie man eine richtige e-Mail schreibt oder auch ein klein wenig Interpretation – man möchte ja schließlich verstehen, was der gegenüber einem sagen möchte. In Mathematik wäre der Stoff, wenn es nach den Schülern ginge, vermutlich noch stärker beschnitten: Wer braucht schon mehr als die Grundrechenarten? Wir haben doch alle Taschenrechner und vor allem das Internet heutzutage. Wozu muss ich da noch wissen, wie ich aus einer f(x)-Funktion mit ihrem Integral das Volumen von ihr als Rotationskörper bestimme?
Das Problem, dass wir hier haben, ist dass wir teilweise eben doch diese Art von Bildung in ihrer gesamten Intensität braucht. Wir, also ich und meine Mitschüler, sind auf einem Gymnasium und machen das Abitur. Wer das Abitur möchte, muss, so scheint es, sich mit all diesem teils als mehr oder weniger von den Schülern als notwendig angesehen Unterrichtsstoff auseinandersetzten. Wenn wir unser Abitur haben, kann der Arbeitsmarkt davon ausgehen, dass wir quasi von allem etwas können und davon manches sogar besser als der Durchschnitt.
Die Schule hat hier ein generelles Problem: Die Schule muss den Schüler so bilden, dass ihm danach so viele Möglichkeiten wie möglich offenstehen. Bei all den unterschiedlichen Interessen der Schüler muss also ein „gesunder Mittelweg“ gefunden werden. Es gibt nicht ohne Grund berufliche Gymnasien, welche hier schon eine gewisse Einteilung vornehmen. So werden zum Beispiel Schüler, welche später in die Informatik möchten, in eine Informatikklasse gesteckt, Menschen, die später in die Wirtschaft möchten kommen in eine Wirtschaftsklasse. Dem entsprechend gibt es dann in vielen Fächern auch etwas angepasste Inhalte, es gibt sogar eigene Fächer – wie eben Informatik oder Wirtschaft in den entsprechenden Klassen.
Dennoch. Schüler sind unzufrieden. Sie wollen mehr von ihrer „Allgemeinbildung“.
Und was wir aus dem Unterrichtsstoff nehmen können wissen wir noch immer nicht.
Man nehme aus den „großen Fächern“ Teilbereiche hinaus und biete sie in Leistungskursen wieder an. Soll wer Gedichtinterpretation machen möchte sie auch machen dürfen. Aber sollen jene, die es nicht möchten, dann den Unterricht aufhalten? - Nein. Sollen sie nicht. Sollen sie doch lieber einen Leistungskurs wählen, der ihnen mehr Spaß macht.
Es ist mir bewusst, dass dies keine einfache Aufgabe für das Bildungssystem ist. Erst recht dann, wenn die Idee besteht, dadurch noch Platz für ein neues Fach zu schaffen, nennen wir es einfach „Allgemeinbildung“. Das ist keine kleine Idee, für die Schüler, wäre es schon eher mit einer (sehr schönen) Revolution unseres alt erscheinenden Bildungssystems vergleichbar! Für das Kultusministerium ist es vielleicht auch mit einem kleinem Albtraum zu vergleichen – das ganze Geld, was kosten würde! Und der Aufwand! Und wir brauchen dann ja auch neue Lehrer! Und wir brauchen Weiterbildungen für die Lehrer! Wie soll man das nur machen?!
Denken wir doch mal an die Schüler.
Wäre mal ein ganz anderer Ansatz, nicht wahr?
Sagen wir so: Wenn es scheitern würde, dann vermutlich am Geld. Für Bildung war gefühlt noch nie genügend Geld da. Unterricht in alten, maroden Gebäuden mit Technik aus dem letzten Jahrhundert ist leider in vielen Schulen noch der absolut normale Standard. Dabei bräuchte man für das Fach „Allgemeinbildung“, was ja die eigentliche Idee ist, nicht einmal Weiterbildungen! Man sollte, und davon bin ich überzeugt, von jedem Lehrer erwarten können, dass er weiß wie man einen Geschirrspüler und eine Waschmaschine bedient. Man sollte erwarten können, dass jeder Lehrer weiß, wie man man einen Lohnsteuerjahresausgleich macht oder wie man einen Vertrag richtig ließt. Es sind keine überirdischen Dinge, die wir Schüler hier vermittelt haben wollen!
Wir möchten einfach nur wissen, wie wir später mal überleben können, wenn Hotel Mama schließt. Und genau das ist tragischer der Punkt, auf den die Schule uns vorbereiten soll – und kläglich scheitert wenn man sich einmal die Meinungen der Schüler ansieht.
Man bekommt das Gefühl, auf die Welt der Arbeit vorbereitet zu werden aber nicht auf die Welt des selbstständigen Lebens.
Ich denke somit, dass wir sagen können, dass unser Bildungssystem ein Problem hat, denn wir haben eins mit ihm. Wäre es ein System, an welchem wir aus freiwilliger Basis teilnehmen könnte, bin ich mutig genug zu sagen, dass die Fächer in kürzester Zeit nur noch die Schüler hätten, die sich tatsächlich an dem Unterricht auch interessieren würden.
Wir sollte anfangen, darüber nachzudenken, unser Bildungssystem ein wenig zu revolutionieren. Es erfüllt seine Arbeit als System, welches uns auf die Berufswelt vorbereitet zwar nicht schlecht, aber seine Aufgabe, uns auch auf das eigene Leben vorzubereiten scheint es noch nicht so ganz erkannt zu haben.
Kritiker würden sagen „Na und, es ging bisher doch auch so!“.
Schüler würden sagen „Aber anders wäre es einfacher.“.
Wir müssen beachten, das Schule nichts festgefahrenes sein darf. Die Schule muss sich wandeln mit der Zeit und mit den Schülern. Es kann nicht sein, dass die Schule ein gefühlt ein Instrument der „Arbeitsweltvorbereitung“ bleibt. Wenn sich dies ändert besteht die realistische Möglichkeit dazu, dass sich die Frage „Wie viel Bildung muss sein?“ eine Tages zu „So viel Bildung muss sein!“ ändert.
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